Frauen in Iran
Ein Vortrag aus Anlass des Internationalen Frauentages im Brecht Literaturhaus von Pari RafiFrauen in IranWie angenehm, sich hier und heute anlässlich des Internationalen Frauentages treffen zu können, ausstellen, reden und Klavier spielen zu dürfen. Ohne Schleier, ohne Spitzel, ohne befürchten zu müssen, dass Schlägerbanden die Tür aufreißen, die Bilder zerstören und alle Anwesenden aus dem Raum prügeln. Hier in Deutschland, in Europa wird in vielen Veranstaltungen an den Kampf der Frauen für ihre Rechte erinnert, es wird Bilanz gezogen, festgestellt, dass seit 1911 viel erreicht wurde- vom Stimm- und Wahlrecht, Arbeitsschutzgesetzen, Mutter- und Kinderschutz, legaler Abtreibung, dem Recht auf homosexuelle Lebensweise bis zur Strafbarkeit von sexueller Gewalt in der Ehe – aber dass noch immer genügend Missstände bleiben, für deren Abschaffung es sich lohnt zu kämpfen.Während sich die Frauen in Europa versammeln dürfen, wird ihnen in Iran auch dieses Recht genommen. Im vergangenen Jahr hatten mehrere regierungsunabhängige Frauenorganisation in Teheran zu einer Kundgebung im Laleh-Park aufgerufen, die zunächst vom Innenministerium erlaubt worden war, aber dann – wenige Stunden vor der Veranstaltung – zurückgezogen wurde. Im Handgemenge mit Polizei und Revolutionswächtern skandierten die Teilnehmerinnen Parolen wie „Die UNO –Konvention für Gleichberechtigung muss unterzeichnet werden“, „Die Rechte der Frauen müssen geachtet werden“, „Flüchtende Frauen müssen geschützt werden“. Unvorstellbar, dass am morgigen Tag in Iran Kundgebungen erlaubt sind, denn aus den Parlamentswahlen 2004 sind die Fundamentalisten gestärkt hervorgegangen und von den zwölf verschleierten weiblichen Abgeordneten ist keinerlei Unterstützung zu erwarten. Fatemeh Alia, eine der zwölf, erklärte, es sei vorteilhaft, wenn ein Mann mehrere Frauen heirate, dadurch lösten sich soziale Probleme. Die UN-Frauenrechtskonvention gehöre nicht unterzeichnet, stattdessen sollten die Frauen islamische Gebote und die Kleiderordnung einhalten. Ihre Kollegin, Eshrat Shayegh, schlussfolgerte angesichts der zunehmenden Prostitution. „Würden zehn Straßenmädchen hingerichtet, hätten wir keine Probleme mehr. Eine Frau ohne Familie ist keinen Pfennig wert.“Seit 26 Jahren sind die Mullahs an der Macht. Nur wenig Zeit brauchten sie bis zur Propagierung einer neuen Frauenrolle: Kinder, Küche und Moschee. Die Frau als Blume zuhause, den Ehemann erwartend. Nur zwei Monate nach Bestätigung der Islamischen Republik demonstrierten als erste gesellschaftliche Gruppe die Frauen: Ihr Kampf gegen Kopfbedeckung und Entlassung aus den Ämtern begann, setzte sich fort auf allen Gebieten – politisch, kulturell, wirtschaftlich- und dauert noch immer an.Was hatte sich für die Frauen geändert?° Das Recht auf Scheidung und das Sorgerecht für geschiedene Frauen mit Kindern wurden weiter eingeschränkt: Für Jungen ab sieben und Mädchen ab drei Jahren hat der Vater das alleinige Sorgerecht. Möchte sich eine Frau scheiden lassen, muss sie auf die Morgengabe verzichten oder nachweisen, dass ihr Mann drogensüchtig, impotent, abwesend, geisteskrank oder vom Glauben abgefallen ist. Der einzige Ausweg ist ein Ehevertrag mit Scheidungsrecht, denn Vertrag geht vor geltendes Recht. Mit der Morgengabe, die bei der Eheschließung festgelegt wird, erhält der Ehemann die Verfügungsgewalt über die Frau. Im Zivilgesetzbuch heißt es: „Morgengabe ist der Preis dafür, dass die Frau während der Ehe mit dem Mann schläft, den Haushalt erledigt und ihm gehorcht.“°Polygamie wurde wieder gestattet.°Für Ehebruch und vorehelichen Geschlechtsverkehr wurde Steinigung eingeführt – eine Tötungsart, die seit zwei Jahren aufgrund internationaler Proteste nicht angewendet wird, aber weiter droht.°Mädchen durften zunächst ab neun, jetzt ab 13 Jahren verheiratet werden, Jungen ab 15 Jahren.°Laut Zivilgesetzbuch ist der Ehemann befugt, seiner Frau die Arbeit zu verbieten, wenn diese seiner Ansicht nach die Würde der Familie oder der Frau verletzt.°In der Rechtsprechung, bei Eigentumsfragen und in Erbangelegenheiten sind Frauen extrem benachteiligt. Vor Gericht gilt die Aussage einer Frau nur halb so viel wie die eines Mannes, der Erbteil einer Frau ist grundsätzlich nur halb so groß wie der männlicher Erben.°Frauen ist nicht gestattet, ohne die Erlaubnis des Mannes zu verreisen. Ohne schriftliche Zustimmung des Ehemannes kann sich keine Frau einen Reisepass ausstellen lassen.°Frauen ist es verboten, beim Männersport in Sporthallen zuzuschauen. Sportlerinnen dürfen nicht alle Sportarten ausüben.°Eine Frau darf nicht Staatspräsidentin werden.°Die Zahl der Ehrenmorde durch männliche Verwandte ist gestiegen, weil die Täter nach islamischem Recht überhaupt nicht bestraft werden oder mit einem Blutgeld davon kommen, das für Frauen die Hälfte dessen beträgt, was für einen Mann gezahlt wird.°Nach der Verfassung wechselt eine Frau mit der Heirat automatisch in die Staatsangehörigkeit des Mannes. Auf diese Weise haben z.B. die Iranerinnen, die einen afghanischen Flüchtling geheiratet haben, keine Staatsangehörigkeit. Ihre Kinder haben keine Papiere. Sie müssen ausreisen.°Am schwersten aber wiegt, dass die Gewalt gegen Frauen im häuslichen und öffentlichen Leben staatlich unterstützt wird. Die Scharia, die islamische Rechtssprechung, bestimmt das Leben der Frauen. Mit einer geflochtenen Lederpeitsche werden sie auf den nackten Rücken geschlagen, wenn sie sich sittenwidrig verhalten – also gegen die jetzt wieder härtere Zwangsverschleierung verstoßen, oder hingerichtet, wenn sie sich z.B. wie Afzaneh Norouzi und Akram Ghawidel gegen Vergewaltigung mit Totschlag wehren. Am 28. Februar dieses Jahres schreibt die Journalistin Fereshteh Ghazi in einem Offenen Brief an den Chef der Justiz und den Staatspräsidenten, sie habe in ihrer Haft zwei Frauen kennen gelernt, die eine, Akram Ghawidel, habe sich gegen einen ins Haus eingedrungenen Vergewaltiger gewehrt und ihn getötet. Dafür wurde sie zum Tode verurteilt. Hätte sie sich nicht gewehrt und vergewaltigen lassen, wäre ihre Todesstrafe Steinigung gewesen. Die zweite Frau, die neunzehnjährige geistig Behinderte Someyeh, wurde vom eigenen Bruder vergewaltigt. Auch sie wartet auf den Tag ihrer Todesstrafe. Sie hat im Gefängnis einen Sohn bekommen. Was wird aus dem kleinen Mohammed in unserer Gesellschaft, wenn seine Mutter hingerichtet oder lebenslänglich eingesperrt bleibt?, fragt die Journalistin.Seit 1979 drückt die islamistische Regierung der ganzen Gesellschaft unter Anwendung staatlicher Machtmittel eine mehr oder minder rigide islamische Lebensweise auf, wodurch jeder Versuch der Verteidigung oder Ausweitung autonomer Räume mit dem Staat in Konflikt gerät. Doch in der gleichen Zeit erfasste die Modernisierung größere Teile der Gesellschaft und vermehrte das zivilgesellschaftliche Potential. Dies lässt sich am Beispiel der Frauen deutlich machen: Ihr rechtlicher Status ist seit der islamischen Revolution schlechter, aber viel mehr Frauen sind alphabetisiert, studieren, nehmen am öffentlichen Leben teil als vor der Revolution. Waren 1975 nur 45% der Frauen in den Städten alphabetisiert, sind es heute 97% der 15-30-jährigen. Durch den Irak-Iran-Krieg wurde die aktive Rolle der Frau gefördert: sie übernahmen die Jobs der Männer. Nach Ende des Krieges forderten sie Änderungen der rechtlichen Bestimmungen, heute fordern sie gleiche Rechte.Ein Drittel aller Arbeitskräfte sind Frauen, ein Drittel aller Akademiker mit Doktortitel sind Frauen und 63% der Studierenden sind weiblich. Unter dem Kopftuch bewegt sich viel - man darf seine Wahrnehmung nicht auf das Kopftuch reduzieren.Als Nobelpreisträgerin, als Regisseurinnen, Schriftstellerinnen, Dichterinnen, Künstlerinnen haben sie sich einen Namen gemacht. 300 Verlagshäuser werden von Frauen geführt und von den 4000 Nichtregierungsorganisationen widmen sich 150 Frauenfragen. Das Internet hat seinen Anteil daran, dass Diskurse geführt, Tagebücher geschrieben, Webseiten von Frauen für Frauen entstanden, dass sie sich allen Themen öffnen und eine neue Identität gewinnen.Die Probleme, denen sich Frauen gegenüber sehen, sind gewaltig und doch sind die meisten der Ansicht, dass ihr Kampf weiter gehen und – trotz mancher Rückschläge wie in der jetzigen Zeit nach den Parlamentswahlen- zu positiven Veränderungen führen wird. 70% der Bevölkerung sind jünger als 30 Jahre und sie sind unzufrieden mit diesem System, weil es ihnen wenig gebracht hat. Es herrscht nach wie vor keine Meinungsfreiheit, keine Pressefreiheit. Dafür herrschen Zensur, Folter, Unterdrückung, Todesstrafen. Die Nobelpreisträgerin erhält Morddrohungen und bittet den Staatspräsidenten, für ihre Sicherheit zu sorgen. Eine Reihe der Website-Journalistinnen ist inhaftiert. Die Inflation ist hoch, Korruption, Misswirtschaft und Arbeitslosigkeit führen zu Depressionen, die nicht wenige, sondern weite Schichten erfasst haben. An erster Stelle in der Welt liegt Iran bei Drogenkonsum und der Selbstmordrate von Frauen.Die Jugend ist dem Gottesstaat abhanden gekommen. Nach einer kürzlich erfolgten Umfrage wollen 44% der Jugendlichen das Land verlassen. Kein Wunder, wenn man sieht, welchen Restriktionen sie ausgesetzt ist: Konzerte, Theaterstücke, Feiern, Partys, Reden werden verboten, gestört oder abgesagt, weil sie angeblich die islamischen Werte verunglimpfen. Billiardsäle, Musikinstrumentengeschäfte, Frisiersalons werden geschlossen und wieder dienen islamische Werte der Rechtfertigung. Unter dem Vorwand der Missachtung der Kleiderordnung werden Frauen und Mädchen von Sicherheitskräften misshandelt. Ich möchte hier nur einen Artikel der Zeitung Rooydad vom 17. Juli 2004 zitieren: „Die Sicherheitskräfte gehen massiv gegen junge Mädchen und Frauen vor. Sie suchen die Orte auf, an denen sich Mädchen und Jungen versammeln und nehmen Frauen mit kurzer Hose fest. (Unter kurzer Hose versteht man eine Hose, die bis zum Knöchel reicht, diesen also frei lässt). Am 15. Juli hielt man die festgenommenen Frauen 24 Stunden in Untersuchungshaft, ohne dass sie die Möglichkeit hatten, ihre Angehörigen zu informieren. Aus Mesched heißt es, eine Anzahl von jungen Mädchen sei wegen zu kurzer Hosen ausgepeitscht worden. Die Ordnungskräfte suchen auch Geschäfte auf und fordern von den Inhabern, die Vitrinen von kurzen Hosen und Nachtbekleidung für Frauen zu räumen. In einigen Einkaufszentren wurden Frauen am Eingang zurückgewiesen, deren Kleidung nicht islamisch genug war.“Zeitungsartikel ähnlichen Inhalts kann man täglich nachlesen.Anfang Februar hielt sich die UN-Sonderbeauftragte für Frauenrechte, die türkische Rechtsprofessorin Yakin Erturk, eine Woche in Iran auf, um Frauen zu befragen, auch in Gefängnissen. Ziel ist, dass die Regierung die UN-Frauenrechtskonvention und das Zusatzprotokoll unterzeichnet, was bisher vom Wächterrat abgelehnt wurde. In einer Pressekonferenz am 12. Februar bemängelte die Sonderbeauftragte, deren Bericht in Kürze erscheinen wird, dass Frauen innerhalb und außerhalb ihres Hauses Gewalt ausgesetzt sind, und durch diskriminierende Gesetze und ein unfaires Rechtssystem gehindert werden, ihre Rechte einzuklagen. Dieses System gipfelt darin, dass der Täter ungestraft davonkomme und die Gewaltanwendung aufrechterhalten bleibt.Ich habe die so genannten Ehrenmorde schon erwähnt: Der Täter wird zwar festgenommen, kann er aber vor Gericht nachweisen, dass das Opfer unerlaubten Geschlechtsverkehr hatte, wird er in den meisten Fällen frei gesprochen oder erhält eine niedrige Strafe.Die UN-Sonderbeauftragte beanstandet weiter, dass die Opfer von Vergewaltigung in ihrem Kampf um Gerechtigkeit so vielen Hindernissen ausgesetzt sind, dass sie – sollten sie die Vergewaltigung nicht beweisen können – wegen unehelichen Verkehrs verurteilt werden. Die Höchststrafe ist dann die Todesstrafe. Nur 1000 Vergewaltigungen wurden 2004 nachgewiesen.Weiter äußerte die UN-Sonderbeauftragte ihre Besorgnis darüber, dass es weit verbreitete Praxis sei, Mitarbeiterinnen von NGOs, Menschenrechtlerinnen, politische Aktivistinnen wegen ihrer politischen Meinung festzunehmen, in Einzelzellen zu sperren, ihnen Rechtbeistand und Besuch zu verwehren und sie moralischer Verderbtheit zu beschuldigen.Schließlich bemängelte sie, dass Scheidungen mit vielen Schwierigkeiten und hohen Ausgaben, psychischer und physischer Gewalt verbunden seien und viel zu viel Zeit in Anspruch nähmen, dass geschiedene Frauen in der Gesellschaft schlecht angesehen sind, der Vater das Sorgerecht erhalte und viele Frauen deshalb so unter Druck stünden, dass sie den Selbstmord als einzigen Ausweg sehen.Vordringlichste Aufgabe der Regierung sei es, die Gesetze des Landes und deren Ausführung mit der eigenen Verfassung und den internationalen Pakten, die sie selbst unterzeichnet habe, in Einklang zu bringen und statt Todesstrafe und Blutrache Prävention und Rehabilitation anzubieten.Es wird Sie nicht verwundern, wenn die Jugend und die weiblichen Wähler als Motor der Reform- und Modernisierungsbestrebungen gelten. Aus einer in Teheran durchgeführten sozialwissenschaftlichen Studie der Universität Siegen von 2004 geht hervor, dass akademisch gebildete Iranerinnen ein hohes gesellschaftspolitisches Interesse zeigen, Modelle einer idealen von humanistischen Werten geprägten Gesellschaft entwickeln und einen Reformprozess fordern, den sie mitgestalten können – Durch Gesetzesänderungen und die Aufhebung starrer Strukturen und entwicklungshemmender Traditionen soll die Gleichberechtigung der Geschlechter erreicht werden, nicht gegen, sondern Schulter an Schulter mit dem Mann. Unbestritten ist, dass der Ort des privaten Lebens die Familie ist. Nur hier, geben die befragten Frauen an, fühlten sie sich geborgen. Im Gegensatz zu den Karrierefrauen der westlichen Welt sind sie nicht bereit, Ehe und Familie für den Beruf zu opfern, sondern sie verfolgen einen „doppelten weiblichen Lebensentwurf“ und sind der Ansicht, die Doppelbelastung Beruf-Familie mit guter Organisation schaffen zu können. Da der iranische Mann selbst kinderlieb und familienbezogen ist und die Beschäftigung und Versorgung von Kindern dem Bild der Männlichkeit nicht widerspricht, könnte dieses Partnerschaftsmodell sogar verwirklicht werden – vorausgesetzt, es gibt staatliche Entlastungsmodelle.Bis dahin scheint ein weiter Weg. Eine Lebensqualität wird den Frauen nicht zugestanden, eine selbst bestimmte Freizeit, die doch für das psychische und physische Befinden von großer Bedeutung ist. Selbst Radfahren ist den Frauen untersagt und wird von ihnen als Freiheitsberaubung verstanden. Auch in der Freizeit sind die Geschlechter getrennt, z.B. am Strand, oder in Parks, wie es nun vorgesehen ist. In der Sommerhitze müssen die Frauen verhüllt joggen oder Bergwandern - fast unerträglich bei über 30 Grad. Seit der Revolution leisten sie unermüdlich passiven Widerstand, indem sie Verbote und Gebote unterlaufen oder ad absurdum führen. Seit 2003 erscheint eine eigene Modezeitschrift für den Hedschab, (Vorhang, Schleier). Modedesignerinnen versuchen, die islamischen Sittenregeln mit den Bedürfnissen der Frauen in Einklang zu bringen, indem sie auf Farben und Stoffe zurückgreifen, die in vorislamischer Zeit oder von den Nomadenstämmen getragen wurden. Das Ziel , durch Zwangsverschleierung eine Entsexualisierung der Beziehungen zu erreichen, hat das islamische Regime nicht erreicht. Viele junge Frauen sagen, der Hedschab habe die Männer begehrlicher gemacht, sie seien fixiert auf Frauenhände, Frauenfüße, Frauenohren.Nach den Befragungen der Universität Siegen fordern Studentinnen die Aufhebung der Kleidervorschriften, wünschen sich die Beendigung der strikten Geschlechtertrennung im öffentlichen Leben, sie befürworten die koedukative Erziehung und einen natürlichen Umgang der Geschlechter miteinander. Sie fordern, dass die Belästigungen von staatlicher und pseudostaatlicher Seite, die im Namen von Moral und Islam vorgenommen werden, ein Ende finden, weil sie sich in der Öffentlichkeit ständig bedroht und unsicher fühlen.Eine junge Frau verglich die weibliche Jugend Irans mit dem Bild einer kleinen Blume in einem armseligen Töpfchen in engem Lichthof – eingesperrt, eingeengt, kein Wind, keine frische Luft, keine Sonne, keine Freiheit.Ideal fänden sie ein demokratisches Staatswesen: Humanität, Meinungsfreiheit, Friede, Gerechtigkeit, Menschenrechte und die Wertschätzung des Individuums. Sie fürchten den moralischen Verfall der Gesellschaft und sich selbst vor dem Abgrund zur Resignation.Diesem System traut kaum noch jemand – gab es doch einst Versprechungen der Reformer, die nicht gehalten, sondern gebrochen wurden.So viel zu der Studie.Bevor ich schließe, möchte ich Ihnen einen kurzen Artikel aus der Zeitschrift Nameh vom August/September 2004 vorlesen, den Sie auch im Liga-Report, den wir seit 20 Jahren herausgeben, nachlesen können: S. 20Offiziell haben wir 3 Millionen Arbeitslose und 5 Millionen in verdeckter Arbeitslosigkeit. 35% der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. 7,5 Millionen sind drogenabhängig, die Hälfte davon ist süchtig. 21% der Krankenhauspatienten müssen ihr gesamtes Hab und Gut verkaufen, um die Kosten bezahlen zu können. Zwei von drei Iranern zahlen Bestechungsgelder. Im letzten Jahr wurden über sieben Millionen Straftaten verzeichnet. Alle sechs Tage wird in Teheran eine Frau umgebracht oder vergewaltigt. Täglich fliehen 45 Mädchen aus dem Elternhaus. Zwischen 300.000 und 600.000 Frauen verkaufen ihren Körper und in Teheran haben rund 8.000 Banden mit Prostitution zu tun. Eine Million kleine Kinder sind unterernährt, Millionen Kinder sind gezwungen zu betteln oder sich zu prostituieren, um überleben zu können.Alle Menschen, die diese Tatsachen zum Ausdruck bringen, werden schikaniert!(Zeitschrift Nameh, August/September 04)Wie geht es weiter?Die Frauen, die die islamische Republik gut heißen, plädieren für eine andere Interpretation des Islam, die Raum lässt für Frauen- und Menschenrechte. Sie fordern, alle Frauen sollten den Koran lesen, damit die Fundamentalisten ihn nicht zu ihren Gunsten auslegen können. Mit islamischen Argumenten wollen sie für Frauenrechte streiten.Die Erkenntnis des Menschen sei wandelbar, deshalb verändere sich auch seine Erkenntnis von der Religion. Erkenntnis sei abhängig von der Zeit und dem Stand der Wissenschaft. Sie legen den Koran an vielen Punkten frauenfreundlich aus. Übrigens können Frauen die gleiche theologische Ausbildung wie Männer haben, aber sie dürfen weder eine religiöse Gefolgschaft hinter sich scharen noch in den Expertenrat gewählt werden.Die anderen, die säkular denken, die mehr Offenheit für internationale Entwicklungen in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur fordern, geben zu, dass die Reformbewegung gescheitert ist, nicht aber die Bewegung für Reformen. Sie sind überzeugt davon, dass der Wandel in der Gesellschaft unumkehrbar ist.
Frauen in Iran
Ein Vortrag aus Anlass des Internationalen Frauentages im Brecht Literaturhaus von Pari RafiFrauen in IranWie angenehm, sich hier und heute anlässlich des Internationalen Frauentages treffen zu können, ausstellen, reden und Klavier spielen zu dürfen. Ohne Schleier, ohne Spitzel, ohne befürchten zu müssen, dass Schlägerbanden die Tür aufreißen, die Bilder zerstören und alle Anwesenden aus dem Raum prügeln. Hier in Deutschland, in Europa wird in vielen Veranstaltungen an den Kampf der Frauen für ihre Rechte erinnert, es wird Bilanz gezogen, festgestellt, dass seit 1911 viel erreicht wurde- vom Stimm- und Wahlrecht, Arbeitsschutzgesetzen, Mutter- und Kinderschutz, legaler Abtreibung, dem Recht auf homosexuelle Lebensweise bis zur Strafbarkeit von sexueller Gewalt in der Ehe – aber dass noch immer genügend Missstände bleiben, für deren Abschaffung es sich lohnt zu kämpfen.Während sich die Frauen in Europa versammeln dürfen, wird ihnen in Iran auch dieses Recht genommen. Im vergangenen Jahr hatten mehrere regierungsunabhängige Frauenorganisation in Teheran zu einer Kundgebung im Laleh-Park aufgerufen, die zunächst vom Innenministerium erlaubt worden war, aber dann – wenige Stunden vor der Veranstaltung – zurückgezogen wurde. Im Handgemenge mit Polizei und Revolutionswächtern skandierten die Teilnehmerinnen Parolen wie „Die UNO –Konvention für Gleichberechtigung muss unterzeichnet werden“, „Die Rechte der Frauen müssen geachtet werden“, „Flüchtende Frauen müssen geschützt werden“. Unvorstellbar, dass am morgigen Tag in Iran Kundgebungen erlaubt sind, denn aus den Parlamentswahlen 2004 sind die Fundamentalisten gestärkt hervorgegangen und von den zwölf verschleierten weiblichen Abgeordneten ist keinerlei Unterstützung zu erwarten. Fatemeh Alia, eine der zwölf, erklärte, es sei vorteilhaft, wenn ein Mann mehrere Frauen heirate, dadurch lösten sich soziale Probleme. Die UN-Frauenrechtskonvention gehöre nicht unterzeichnet, stattdessen sollten die Frauen islamische Gebote und die Kleiderordnung einhalten. Ihre Kollegin, Eshrat Shayegh, schlussfolgerte angesichts der zunehmenden Prostitution. „Würden zehn Straßenmädchen hingerichtet, hätten wir keine Probleme mehr. Eine Frau ohne Familie ist keinen Pfennig wert.“Seit 26 Jahren sind die Mullahs an der Macht. Nur wenig Zeit brauchten sie bis zur Propagierung einer neuen Frauenrolle: Kinder, Küche und Moschee. Die Frau als Blume zuhause, den Ehemann erwartend. Nur zwei Monate nach Bestätigung der Islamischen Republik demonstrierten als erste gesellschaftliche Gruppe die Frauen: Ihr Kampf gegen Kopfbedeckung und Entlassung aus den Ämtern begann, setzte sich fort auf allen Gebieten – politisch, kulturell, wirtschaftlich- und dauert noch immer an.Was hatte sich für die Frauen geändert?° Das Recht auf Scheidung und das Sorgerecht für geschiedene Frauen mit Kindern wurden weiter eingeschränkt: Für Jungen ab sieben und Mädchen ab drei Jahren hat der Vater das alleinige Sorgerecht. Möchte sich eine Frau scheiden lassen, muss sie auf die Morgengabe verzichten oder nachweisen, dass ihr Mann drogensüchtig, impotent, abwesend, geisteskrank oder vom Glauben abgefallen ist. Der einzige Ausweg ist ein Ehevertrag mit Scheidungsrecht, denn Vertrag geht vor geltendes Recht. Mit der Morgengabe, die bei der Eheschließung festgelegt wird, erhält der Ehemann die Verfügungsgewalt über die Frau. Im Zivilgesetzbuch heißt es: „Morgengabe ist der Preis dafür, dass die Frau während der Ehe mit dem Mann schläft, den Haushalt erledigt und ihm gehorcht.“°Polygamie wurde wieder gestattet.°Für Ehebruch und vorehelichen Geschlechtsverkehr wurde Steinigung eingeführt – eine Tötungsart, die seit zwei Jahren aufgrund internationaler Proteste nicht angewendet wird, aber weiter droht.°Mädchen durften zunächst ab neun, jetzt ab 13 Jahren verheiratet werden, Jungen ab 15 Jahren.°Laut Zivilgesetzbuch ist der Ehemann befugt, seiner Frau die Arbeit zu verbieten, wenn diese seiner Ansicht nach die Würde der Familie oder der Frau verletzt.°In der Rechtsprechung, bei Eigentumsfragen und in Erbangelegenheiten sind Frauen extrem benachteiligt. Vor Gericht gilt die Aussage einer Frau nur halb so viel wie die eines Mannes, der Erbteil einer Frau ist grundsätzlich nur halb so groß wie der männlicher Erben.°Frauen ist nicht gestattet, ohne die Erlaubnis des Mannes zu verreisen. Ohne schriftliche Zustimmung des Ehemannes kann sich keine Frau einen Reisepass ausstellen lassen.°Frauen ist es verboten, beim Männersport in Sporthallen zuzuschauen. Sportlerinnen dürfen nicht alle Sportarten ausüben.°Eine Frau darf nicht Staatspräsidentin werden.°Die Zahl der Ehrenmorde durch männliche Verwandte ist gestiegen, weil die Täter nach islamischem Recht überhaupt nicht bestraft werden oder mit einem Blutgeld davon kommen, das für Frauen die Hälfte dessen beträgt, was für einen Mann gezahlt wird.°Nach der Verfassung wechselt eine Frau mit der Heirat automatisch in die Staatsangehörigkeit des Mannes. Auf diese Weise haben z.B. die Iranerinnen, die einen afghanischen Flüchtling geheiratet haben, keine Staatsangehörigkeit. Ihre Kinder haben keine Papiere. Sie müssen ausreisen.°Am schwersten aber wiegt, dass die Gewalt gegen Frauen im häuslichen und öffentlichen Leben staatlich unterstützt wird. Die Scharia, die islamische Rechtssprechung, bestimmt das Leben der Frauen. Mit einer geflochtenen Lederpeitsche werden sie auf den nackten Rücken geschlagen, wenn sie sich sittenwidrig verhalten – also gegen die jetzt wieder härtere Zwangsverschleierung verstoßen, oder hingerichtet, wenn sie sich z.B. wie Afzaneh Norouzi und Akram Ghawidel gegen Vergewaltigung mit Totschlag wehren. Am 28. Februar dieses Jahres schreibt die Journalistin Fereshteh Ghazi in einem Offenen Brief an den Chef der Justiz und den Staatspräsidenten, sie habe in ihrer Haft zwei Frauen kennen gelernt, die eine, Akram Ghawidel, habe sich gegen einen ins Haus eingedrungenen Vergewaltiger gewehrt und ihn getötet. Dafür wurde sie zum Tode verurteilt. Hätte sie sich nicht gewehrt und vergewaltigen lassen, wäre ihre Todesstrafe Steinigung gewesen. Die zweite Frau, die neunzehnjährige geistig Behinderte Someyeh, wurde vom eigenen Bruder vergewaltigt. Auch sie wartet auf den Tag ihrer Todesstrafe. Sie hat im Gefängnis einen Sohn bekommen. Was wird aus dem kleinen Mohammed in unserer Gesellschaft, wenn seine Mutter hingerichtet oder lebenslänglich eingesperrt bleibt?, fragt die Journalistin.Seit 1979 drückt die islamistische Regierung der ganzen Gesellschaft unter Anwendung staatlicher Machtmittel eine mehr oder minder rigide islamische Lebensweise auf, wodurch jeder Versuch der Verteidigung oder Ausweitung autonomer Räume mit dem Staat in Konflikt gerät. Doch in der gleichen Zeit erfasste die Modernisierung größere Teile der Gesellschaft und vermehrte das zivilgesellschaftliche Potential. Dies lässt sich am Beispiel der Frauen deutlich machen: Ihr rechtlicher Status ist seit der islamischen Revolution schlechter, aber viel mehr Frauen sind alphabetisiert, studieren, nehmen am öffentlichen Leben teil als vor der Revolution. Waren 1975 nur 45% der Frauen in den Städten alphabetisiert, sind es heute 97% der 15-30-jährigen. Durch den Irak-Iran-Krieg wurde die aktive Rolle der Frau gefördert: sie übernahmen die Jobs der Männer. Nach Ende des Krieges forderten sie Änderungen der rechtlichen Bestimmungen, heute fordern sie gleiche Rechte.Ein Drittel aller Arbeitskräfte sind Frauen, ein Drittel aller Akademiker mit Doktortitel sind Frauen und 63% der Studierenden sind weiblich. Unter dem Kopftuch bewegt sich viel - man darf seine Wahrnehmung nicht auf das Kopftuch reduzieren.Als Nobelpreisträgerin, als Regisseurinnen, Schriftstellerinnen, Dichterinnen, Künstlerinnen haben sie sich einen Namen gemacht. 300 Verlagshäuser werden von Frauen geführt und von den 4000 Nichtregierungsorganisationen widmen sich 150 Frauenfragen. Das Internet hat seinen Anteil daran, dass Diskurse geführt, Tagebücher geschrieben, Webseiten von Frauen für Frauen entstanden, dass sie sich allen Themen öffnen und eine neue Identität gewinnen.Die Probleme, denen sich Frauen gegenüber sehen, sind gewaltig und doch sind die meisten der Ansicht, dass ihr Kampf weiter gehen und – trotz mancher Rückschläge wie in der jetzigen Zeit nach den Parlamentswahlen- zu positiven Veränderungen führen wird. 70% der Bevölkerung sind jünger als 30 Jahre und sie sind unzufrieden mit diesem System, weil es ihnen wenig gebracht hat. Es herrscht nach wie vor keine Meinungsfreiheit, keine Pressefreiheit. Dafür herrschen Zensur, Folter, Unterdrückung, Todesstrafen. Die Nobelpreisträgerin erhält Morddrohungen und bittet den Staatspräsidenten, für ihre Sicherheit zu sorgen. Eine Reihe der Website-Journalistinnen ist inhaftiert. Die Inflation ist hoch, Korruption, Misswirtschaft und Arbeitslosigkeit führen zu Depressionen, die nicht wenige, sondern weite Schichten erfasst haben. An erster Stelle in der Welt liegt Iran bei Drogenkonsum und der Selbstmordrate von Frauen.Die Jugend ist dem Gottesstaat abhanden gekommen. Nach einer kürzlich erfolgten Umfrage wollen 44% der Jugendlichen das Land verlassen. Kein Wunder, wenn man sieht, welchen Restriktionen sie ausgesetzt ist: Konzerte, Theaterstücke, Feiern, Partys, Reden werden verboten, gestört oder abgesagt, weil sie angeblich die islamischen Werte verunglimpfen. Billiardsäle, Musikinstrumentengeschäfte, Frisiersalons werden geschlossen und wieder dienen islamische Werte der Rechtfertigung. Unter dem Vorwand der Missachtung der Kleiderordnung werden Frauen und Mädchen von Sicherheitskräften misshandelt. Ich möchte hier nur einen Artikel der Zeitung Rooydad vom 17. Juli 2004 zitieren: „Die Sicherheitskräfte gehen massiv gegen junge Mädchen und Frauen vor. Sie suchen die Orte auf, an denen sich Mädchen und Jungen versammeln und nehmen Frauen mit kurzer Hose fest. (Unter kurzer Hose versteht man eine Hose, die bis zum Knöchel reicht, diesen also frei lässt). Am 15. Juli hielt man die festgenommenen Frauen 24 Stunden in Untersuchungshaft, ohne dass sie die Möglichkeit hatten, ihre Angehörigen zu informieren. Aus Mesched heißt es, eine Anzahl von jungen Mädchen sei wegen zu kurzer Hosen ausgepeitscht worden. Die Ordnungskräfte suchen auch Geschäfte auf und fordern von den Inhabern, die Vitrinen von kurzen Hosen und Nachtbekleidung für Frauen zu räumen. In einigen Einkaufszentren wurden Frauen am Eingang zurückgewiesen, deren Kleidung nicht islamisch genug war.“Zeitungsartikel ähnlichen Inhalts kann man täglich nachlesen.Anfang Februar hielt sich die UN-Sonderbeauftragte für Frauenrechte, die türkische Rechtsprofessorin Yakin Erturk, eine Woche in Iran auf, um Frauen zu befragen, auch in Gefängnissen. Ziel ist, dass die Regierung die UN-Frauenrechtskonvention und das Zusatzprotokoll unterzeichnet, was bisher vom Wächterrat abgelehnt wurde. In einer Pressekonferenz am 12. Februar bemängelte die Sonderbeauftragte, deren Bericht in Kürze erscheinen wird, dass Frauen innerhalb und außerhalb ihres Hauses Gewalt ausgesetzt sind, und durch diskriminierende Gesetze und ein unfaires Rechtssystem gehindert werden, ihre Rechte einzuklagen. Dieses System gipfelt darin, dass der Täter ungestraft davonkomme und die Gewaltanwendung aufrechterhalten bleibt.Ich habe die so genannten Ehrenmorde schon erwähnt: Der Täter wird zwar festgenommen, kann er aber vor Gericht nachweisen, dass das Opfer unerlaubten Geschlechtsverkehr hatte, wird er in den meisten Fällen frei gesprochen oder erhält eine niedrige Strafe.Die UN-Sonderbeauftragte beanstandet weiter, dass die Opfer von Vergewaltigung in ihrem Kampf um Gerechtigkeit so vielen Hindernissen ausgesetzt sind, dass sie – sollten sie die Vergewaltigung nicht beweisen können – wegen unehelichen Verkehrs verurteilt werden. Die Höchststrafe ist dann die Todesstrafe. Nur 1000 Vergewaltigungen wurden 2004 nachgewiesen.Weiter äußerte die UN-Sonderbeauftragte ihre Besorgnis darüber, dass es weit verbreitete Praxis sei, Mitarbeiterinnen von NGOs, Menschenrechtlerinnen, politische Aktivistinnen wegen ihrer politischen Meinung festzunehmen, in Einzelzellen zu sperren, ihnen Rechtbeistand und Besuch zu verwehren und sie moralischer Verderbtheit zu beschuldigen.Schließlich bemängelte sie, dass Scheidungen mit vielen Schwierigkeiten und hohen Ausgaben, psychischer und physischer Gewalt verbunden seien und viel zu viel Zeit in Anspruch nähmen, dass geschiedene Frauen in der Gesellschaft schlecht angesehen sind, der Vater das Sorgerecht erhalte und viele Frauen deshalb so unter Druck stünden, dass sie den Selbstmord als einzigen Ausweg sehen.Vordringlichste Aufgabe der Regierung sei es, die Gesetze des Landes und deren Ausführung mit der eigenen Verfassung und den internationalen Pakten, die sie selbst unterzeichnet habe, in Einklang zu bringen und statt Todesstrafe und Blutrache Prävention und Rehabilitation anzubieten.Es wird Sie nicht verwundern, wenn die Jugend und die weiblichen Wähler als Motor der Reform- und Modernisierungsbestrebungen gelten. Aus einer in Teheran durchgeführten sozialwissenschaftlichen Studie der Universität Siegen von 2004 geht hervor, dass akademisch gebildete Iranerinnen ein hohes gesellschaftspolitisches Interesse zeigen, Modelle einer idealen von humanistischen Werten geprägten Gesellschaft entwickeln und einen Reformprozess fordern, den sie mitgestalten können – Durch Gesetzesänderungen und die Aufhebung starrer Strukturen und entwicklungshemmender Traditionen soll die Gleichberechtigung der Geschlechter erreicht werden, nicht gegen, sondern Schulter an Schulter mit dem Mann. Unbestritten ist, dass der Ort des privaten Lebens die Familie ist. Nur hier, geben die befragten Frauen an, fühlten sie sich geborgen. Im Gegensatz zu den Karrierefrauen der westlichen Welt sind sie nicht bereit, Ehe und Familie für den Beruf zu opfern, sondern sie verfolgen einen „doppelten weiblichen Lebensentwurf“ und sind der Ansicht, die Doppelbelastung Beruf-Familie mit guter Organisation schaffen zu können. Da der iranische Mann selbst kinderlieb und familienbezogen ist und die Beschäftigung und Versorgung von Kindern dem Bild der Männlichkeit nicht widerspricht, könnte dieses Partnerschaftsmodell sogar verwirklicht werden – vorausgesetzt, es gibt staatliche Entlastungsmodelle.Bis dahin scheint ein weiter Weg. Eine Lebensqualität wird den Frauen nicht zugestanden, eine selbst bestimmte Freizeit, die doch für das psychische und physische Befinden von großer Bedeutung ist. Selbst Radfahren ist den Frauen untersagt und wird von ihnen als Freiheitsberaubung verstanden. Auch in der Freizeit sind die Geschlechter getrennt, z.B. am Strand, oder in Parks, wie es nun vorgesehen ist. In der Sommerhitze müssen die Frauen verhüllt joggen oder Bergwandern - fast unerträglich bei über 30 Grad. Seit der Revolution leisten sie unermüdlich passiven Widerstand, indem sie Verbote und Gebote unterlaufen oder ad absurdum führen. Seit 2003 erscheint eine eigene Modezeitschrift für den Hedschab, (Vorhang, Schleier). Modedesignerinnen versuchen, die islamischen Sittenregeln mit den Bedürfnissen der Frauen in Einklang zu bringen, indem sie auf Farben und Stoffe zurückgreifen, die in vorislamischer Zeit oder von den Nomadenstämmen getragen wurden. Das Ziel , durch Zwangsverschleierung eine Entsexualisierung der Beziehungen zu erreichen, hat das islamische Regime nicht erreicht. Viele junge Frauen sagen, der Hedschab habe die Männer begehrlicher gemacht, sie seien fixiert auf Frauenhände, Frauenfüße, Frauenohren.Nach den Befragungen der Universität Siegen fordern Studentinnen die Aufhebung der Kleidervorschriften, wünschen sich die Beendigung der strikten Geschlechtertrennung im öffentlichen Leben, sie befürworten die koedukative Erziehung und einen natürlichen Umgang der Geschlechter miteinander. Sie fordern, dass die Belästigungen von staatlicher und pseudostaatlicher Seite, die im Namen von Moral und Islam vorgenommen werden, ein Ende finden, weil sie sich in der Öffentlichkeit ständig bedroht und unsicher fühlen.Eine junge Frau verglich die weibliche Jugend Irans mit dem Bild einer kleinen Blume in einem armseligen Töpfchen in engem Lichthof – eingesperrt, eingeengt, kein Wind, keine frische Luft, keine Sonne, keine Freiheit.Ideal fänden sie ein demokratisches Staatswesen: Humanität, Meinungsfreiheit, Friede, Gerechtigkeit, Menschenrechte und die Wertschätzung des Individuums. Sie fürchten den moralischen Verfall der Gesellschaft und sich selbst vor dem Abgrund zur Resignation.Diesem System traut kaum noch jemand – gab es doch einst Versprechungen der Reformer, die nicht gehalten, sondern gebrochen wurden.So viel zu der Studie.Bevor ich schließe, möchte ich Ihnen einen kurzen Artikel aus der Zeitschrift Nameh vom August/September 2004 vorlesen, den Sie auch im Liga-Report, den wir seit 20 Jahren herausgeben, nachlesen können: S. 20Offiziell haben wir 3 Millionen Arbeitslose und 5 Millionen in verdeckter Arbeitslosigkeit. 35% der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. 7,5 Millionen sind drogenabhängig, die Hälfte davon ist süchtig. 21% der Krankenhauspatienten müssen ihr gesamtes Hab und Gut verkaufen, um die Kosten bezahlen zu können. Zwei von drei Iranern zahlen Bestechungsgelder. Im letzten Jahr wurden über sieben Millionen Straftaten verzeichnet. Alle sechs Tage wird in Teheran eine Frau umgebracht oder vergewaltigt. Täglich fliehen 45 Mädchen aus dem Elternhaus. Zwischen 300.000 und 600.000 Frauen verkaufen ihren Körper und in Teheran haben rund 8.000 Banden mit Prostitution zu tun. Eine Million kleine Kinder sind unterernährt, Millionen Kinder sind gezwungen zu betteln oder sich zu prostituieren, um überleben zu können.Alle Menschen, die diese Tatsachen zum Ausdruck bringen, werden schikaniert!(Zeitschrift Nameh, August/September 04)Wie geht es weiter?Die Frauen, die die islamische Republik gut heißen, plädieren für eine andere Interpretation des Islam, die Raum lässt für Frauen- und Menschenrechte. Sie fordern, alle Frauen sollten den Koran lesen, damit die Fundamentalisten ihn nicht zu ihren Gunsten auslegen können. Mit islamischen Argumenten wollen sie für Frauenrechte streiten.Die Erkenntnis des Menschen sei wandelbar, deshalb verändere sich auch seine Erkenntnis von der Religion. Erkenntnis sei abhängig von der Zeit und dem Stand der Wissenschaft. Sie legen den Koran an vielen Punkten frauenfreundlich aus. Übrigens können Frauen die gleiche theologische Ausbildung wie Männer haben, aber sie dürfen weder eine religiöse Gefolgschaft hinter sich scharen noch in den Expertenrat gewählt werden.Die anderen, die säkular denken, die mehr Offenheit für internationale Entwicklungen in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur fordern, geben zu, dass die Reformbewegung gescheitert ist, nicht aber die Bewegung für Reformen. Sie sind überzeugt davon, dass der Wandel in der Gesellschaft unumkehrbar ist.
Frauen in Iran
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