16:40 | Posted in , ,
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,662845,00.html
Journalistin Padschuh: Eine Generation, die um Freiheit ringt

Kein Zugang zur Anwältin, keine Anklage: Seit August sitzt die Journalistin Fariba Padschuh im berüchtigten Evin-Gefängnis.
Als der Anruf vom Geheimdienst kam, wusste Fariba Padschuh, dass Schlimmes geschehen würde. Wir wollen mit dir reden, hatten sie gesagt. Ein Informationsgespräch.
Ein paar Tage später kamen die Männer, um sie zu holen, es war der 22. August, der erste Tag des Fastenmonats Ramadan. Fariba Padschuh war den ganzen Tag mit ihrer Mutter zu Hause gewesen, sie hatten das Festmahl für den Abend vorbereitet. Sie ging nur kurz nach draußen, um Süßigkeiten zu besorgen. Als sie zurückkehrte, standen drei Männer mit ihr vor der Tür.
Sie seien höflich gewesen, sagt die Mutter. Eine Stunde lang hätten sie Schubladen, Schränke, Computer durchsucht. Sie ließen Mutter und Tochter gemeinsam das Fasten brechen, zitternd vor Angst, mit Datteln und Tee, dann sagten sie, Fariba müsse mitkommen, nur für eine Stunde. Sie versprachen der Mutter, sie wie ihre eigene Tochter zu behandeln. Aber das war gelogen.
Fariba Padschuh, 29, eine zierliche Frau mit schönem, mädchenhaftem Gesicht, sitzt seit diesem Tag im August in Teherans berüchtigtem Evin-Gefängnis ein, in der Abteilung 209, die vom Geheimdienst kontrolliert wird. Sie ist eine von mehr als hundert Journalisten und Bloggern, die das Regime verhaften ließ nach den blutig niedergeschlagenen Demonstrationen gegen den Wahlbetrug von Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Doch wenige wurden so lange weggesperrt wie Fariba Padschuh, ihr Fall zeigt in aller Deutlichkeit, wie grausam das Regime gegen Journalisten vorgeht.
Sie leidet in Haft an schweren Depressionen und stressbedingten Herzrhythmusstörungen. Während des ersten Monats durften ihre Eltern sie nicht sehen, danach konnten sie montags zu Besuch kommen, wurden aber oft trotzdem zurückgewiesen. Ihre jetzige Anwältin durfte noch nie mit ihr sprechen. Erst nach zwei Monaten erfuhr sie, was ihrer Klientin vorgeworfen wird: zunächst Spionage, später "Propaganda gegen das Regime".
Fariba Padschuh gehört zu jener Generation von Iranern, die schon seit ihrer Jugend um Freiheit ringen. Mit 18 wurde sie zum ersten Mal verhaftet. Sie wurde Journalistin, schrieb für reformorientierte Blätter, für staatliche Nachrichtenagenturen und Zeitungen - nicht über große Politik, sondern über die sozialen Probleme Irans.
Sie wurde ein zweites Mal festgesetzt, als sie 2008 zur Präsidentschaftswahl in die USA reisen wollte. Als die Proteste gegen das Regime in diesem Jahr das Land erschütterten, arbeitete sie rund um die Uhr, auch als Übersetzerin für eine kolumbianische Korrespondentin, das machte sie den Behörden zusätzlich verdächtig. Sie wisse, dass sie in Gefahr sei, sagte sie Freunden, aber sie wolle für Iran eine bessere Zukunft.
"Der Stift ist der Feind der Unwissenheit", schrieb sie in ihrem Blog, wenige Tage vor ihrer Verhaftung. "Mein Stift ist der freundlichste der freundlichen. Ich habe mich meinem Stift verschworen."
Den ersten Monat ihrer Gefangenschaft verbrachte sie in einem "Grab", so nennen Irans Häftlinge die winzigen unterirdischen Verliese im Evin-Gefängnis, das auf einem Hügel über Teheran hinter hohen Mauern liegt und fast eine Stadt für sich ist. Sie ist in keiner der Abteilungen, die von den Bassidsch-Milizen kontrolliert werden und aus denen Berichte über Folter und Vergewaltigungen nach außen dringen. Doch die Einsamkeit der Einzelhaft zermürbt das Gemüt. Mehrmals täglich werden die Häftlinge zum Verhör geholt, sie werden geschlagen und am Körper durchsucht.
Nach einer Weile lernen sie ihre Vernehmer zu unterscheiden, nach deren Schuhen, die sie trotz Augenbinde sehen können, und nach dem Grad ihrer Aggressivität. Sie beschimpfen, drohen, schlagen, dann locken sie wieder: Wenn man endlich gestehe, könne man bald in Freiheit sein.
Nach einem Monat wird Fariba Padschuh in den oberirdischen Teil des Gefängnisses verlegt, nun hat sie eine Zellengenossin, Hengameh Schahidi, ebenfalls eine Journalistin. Ende Oktober treten sie gemeinsam in Hungerstreik, nach fünf Tagen landen beide auf der Krankenstation: Hengameh Schahidi wird freigelassen, Fariba Padschuh kommt in eine neue Zelle.
Sie haust jetzt in einem Raum, der etwa zehn Quadratmeter groß ist, nur eine winzige Luke spendet Licht. Nachts sinken die Temperaturen in der Zelle auf den Gefrierpunkt. Acht Tabletten muss sie jeden Tag nehmen, drei für ihr Herz, drei Antidepressiva, zwei Schlaftabletten.
Farideh Padschuh, die Mutter, sagt, Fariba werde immer noch täglich verhört, manchmal bis elf Uhr nachts. Ihre Tochter habe trotz ihrer jungen Jahre weiße Strähnen im Haar und sei in einem besorgniserregenden seelischen Zustand.
Die Mutter irrt seit drei Monaten von Amtsstube zu Amtsstube, sie hat viele Vertröstungen und Versprechen gehört. Menschenrechtsorganisationen haben sich eingeschaltet, nichts ist geschehen. Die Beweisaufnahme ist angeblich seit Tagen abgeschlossen, doch noch immer gibt es keinen Termin für eine Gerichtsverhandlung.
Am vergangenen Mittwoch hielt die Familie aus Verzweiflung einen Sitzstreik im Revolutionsgericht ab, acht Stunden lang. Schließlich durften sie mit dem obersten Teheraner Staatsanwalt sprechen, Abbas Dschafari Dolatabadi. Er werde sich kümmern, sagte er. Wieder ein Versprechen.
Category: , ,
��

Comments

0 responses to "Drohen, schlagen, locken"