2.3.2010http://hpd.de/node/8946
BERLIN. (ehbb/hpd) In Vertretung für die verhinderte Mina Ahadi sprach am vergangenen Donnerstag Nazanin Borumand über die aktuelle Situation in Iran sowie die Aufgaben und Ideen des Zentralrates der Ex-Muslime.
Das gleich vorab: Frau Borumand vertrat nicht nur die verhinderte Mina Ahadi sehr gut, sondern auch die Ideen des Zentralrates. Sie gab einen kurzen, aber sehr persönlichen Bericht über die Zeit in und nach der Revolution in Iran (1979) und erklärte, weshalb sie mit 19 Jahren (1985) das Land verließ; verlassen musste: es wurde ihr unter der rigiden religiösen Herrschaft des Mullahregimes unerträglich. “Ich habe keine Luft mehr bekommen”, sagte sie wörtlich.
Eingehend auf die Situation in Iran nach der Wahlfälschung des Sommers sagte sie, dass es seit dieser Zeit für Gegner des Regimes einfacher wäre, Gehör und Öffentlichkeit zu finden. Was aber (leider) nicht bedeutet, dass es politische Unterstützung für die Freiheitsbestrebungen des iranischen Volkes gibt. Denn dagegen stehen, zumal in Deutschland, nicht unerhebliche wirtschaftliche Interesse. Die deutsche Regierung verweigert sich jeglicher Diskussion mit den Unterstützern der “grünen Revolution” in Iran.
Als ich selber Mitte Januar Mina Ahadi kennen lernte, kam sie gerade von einem solchen erfolglosen Versuch,
im Bundestag Gehör zu finden. Das wäre – so Nazanin Borumand – eine Schande für ein demokratisches Land. Denn es hat den Anschein, als gelten die universellen Menschenrechte nur für die eigene Bevölkerung, nicht jedoch für Menschen in anderen Ländern.
Auch die Medien verbergen mehr als sie aufklären. Berichtet werde – so Frau Borumand – wenn überhaupt über den Atomstreit; aber nicht über die permanenten Menschenrechtsverletzungen im Land.
Später antwortete sie auf eine Frage, ob es denn eine politische Partei in Deutschland gäbe, die für die Belange des Zentralrates aufgeschlossen wäre: “Die Parteien haben kein Interesse. Weder an der Menschenrechtssituation in Iran noch am Verein.“
Sie sprach auch über das gerade wieder aktuelle Thema “Kopftuch und Islam” und sagte dazu: “Ein Kopftuch ist nicht nur eine Bekleidung, sondern ein Zeichen der Erniedrigung der Frauen“. Der Islam kenne keine Grenzen, die das Privatleben der Menschen respektiert. “Der Islam ist nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern selbst in den Schlafzimmern anwesend.” Die barbarischen Gesetze dieses Landes sind Ausdruck einer barbarischen Regierung, die sich auf eine barbarische Religion berufe.
In der späteren Diskussion betonte sie, dass die Menschen – völlig unabhängig davon, ob sie gläubig sind oder nicht – eine säkulare Regierungsform wünschen, die eindeutige Trennung von Staat und Religion; ein Eindruck, den auch ich habe und der von religiösen Führern in Iran inzwischen teilweise ebenfalls vertreten wird.
“Ich bin aus dem Iran rausgegangen, weil ich keine Muslima bin – und werde in Deutschland als solche gesehen, und nur als Muslima.” Dies sei – so Frau Borumand – einer der Hauptgründe für die Gründung des Zentralrates der Ex-Muslime. Nicht mehr “bewertet” zu werden aufgrund seiner Herkunft, sondern einfach als Mensch mit Rechten (und Pflichten) anerkannt zu werden; dies zu vermitteln sei die wichtigste Aufgabe des Vereins.
Sie sprach sich vehement gegen die Einrichtung der Islamkonferenz durch den damaligen Innenminister Schäuble aus – eine Wertung, die ich so nicht ganz nachvollziehen kann. Denn meiner Meinung nach ist zwar richtig, wenn Frau Borumand sagt, dass sie sich dort nicht vertreten fühlt von der so genannten “islamischen Seite”; aber für mich ist das der Anfang eines Dialoges. Zumal auch solche Islamkritiker wie Necla Kelek und Navid Kermani am Tisch saßen. Andererseits ist es sicherlich richtig, wenn sich Nazanin Borumand dagegen wehrt, in der Statistik, die Zahlen über den muslimischen Anteil an der deutschen Bevölkerung aufgrund der Herkunftsländer ermitteln, als solche geführt zu werden. Das wäre so, als würden alle deutschstämmigen Bürger als Christen in den Statistiken erscheinen.
Zumal – und das unterscheidet die Situation von Deutschstämmigen und “muslimischen Zuwanderern” – werden diese bedroht, unter Druck gesetzt und nicht nur verbal attackiert – Syran Ates ist das derzeit wohl aktuellste Beispiel. Wer aus einer der christlichen Kirchen austritt und dies öffentlich macht, muss nicht damit rechnen, körperlich bedroht zu werden. Das ist jedoch anders, wenn man dem Islam abschwört. Das bringt die engsten Verwandten, “das Haus, die Stadt, das ganze Land” gegen einen auf.
Deshalb, so Frau Borumand, kämpfe der Zentralrat für die Anerkennung der Menschen aufgrund universeller Menschenrechte – und nicht aufgrund unterstellter Religionsangehörigkeit.
Sie vertrat allerdings auch die Meinung, dass sich die deutsche Gesellschaft “islamisiere”; ein Eindruck, den ich so nicht gelten lasse. Denn zwischen medialer Wahrnehmung und objektivem Erleben besteht – gerade in dieser Problematik – meiner Meinung nach ein großes Missverhältnis. Ich erinnere nur an die lautstarken Äußerungen eines Herren Sarrazin oder eines Herrn M. Broder: viel Geschrei um eine Sache macht diese nicht wichtiger als sie ist. Es ist richtig, dass Deutschland seit Jahrzehnten versäumte, eine ehrliche Integration voranzutreiben; Seyran Ates hat das in ihrem
Buch über den Multikulti-Irrtum hervorragend beschrieben. Aber ich sehe in den Gesprächen der deutschen Regierung und einigen islamischen Verbänden einen Anfang; nicht das Ende eines Kulturaustausches.
Im Zusammenhang mit der Forderung der Ex-Muslime, ein generelles Kopftuchverbot an deutschen Schulen zu fordern (also nicht nur für Lehrerinnen, sondern auch für Schülerinnen) und einer Kampagne gegen den Islamunterricht an den Schulen kam es zu einer Diskussion, in der sich die Anwesenden letztlich einig wurden, dass es nicht nur darum geht, den Islam aus den Schulen zu verbannen; sondern dies eben für alle Religionen zu gelten habe – eine Haltung, die mir tatsächlich sympathischer ist. Denn ich verweigere mich, den Islam zu verdammen und aber das Christentum (oder jede andere Religion) mit anderem Maß zu messen.
Fazit: Ein anregender Abend mit einer sehr guten Rednerin und gespannt lauschenden Zuhörern (und Diskutierenden). Ich wünsche mir, dass die Evolutionäre Humanisten Berlin-Brandenburg mehr solcher Veranstaltungen organisieren.
Frank Navissifür
Evolutionäre Humanisten Berlin-Brandenburg

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