ein Jahr nach dem Wahlbetrug – Herr Keuner im Iran
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Auf den 22. Chordad, den 12. Juni 2010, den ersten Jahrestag der denkwürdigen Präsidentschaftswahlen im Iran, hatte sich die Regierung gut vorbereitet. Aus den umliegenden Regionen hatte sie bewaffnete Kräfte abgezogen und im Großraum Teheran stationiert, so dass am 12. Juni rund 80.000 Bewaffnete zur Verfügung standen, um Demonstrationen in Teheran niederzuschlagen, im ganzen Land standen 300.000 Bewaffnete bereit. Sie waren in Schulen, Sportstadien, Parkplätzen und Moscheen untergebracht. Die Kräfte waren so angeordnet, dass sie in der Lage sein sollten, in zwanzig Minuten an jedem wichtigen Platz in der Hauptstadt einzugreifen. Die Versuche der sogenannten Reformisten – Mussawi, Karrubi u.a., an diesem Tag eine legale Kundgebung abzuhalten, scheiterten an der bürokratischen Verschleppung und Einschüchterungstaktik der Behörden, so dass diese ihre für 16 Uhr geplanten Kundgebungen abbliesen.
Solche Szenen konnten in jedem Viertel von Teheran beobachtet werden
Und trotzdem waren die Menschenmengen am 12. Juni ab 11 Uhr auf der Straße. Sie riefen keine Parolen und gingen unauffällig auf dem Bürgersteig, aber es wurden immer mehr. Da die Behörden angeordnet hatten, dass alle Geschäfte an den Hauptstraßen Teherans um 13 Uhr schließen sollen, damit die Demonstranten dort keine Zuflucht fänden, bedeutet das aber auch, dass die Leute nicht zu Einkäufen unterwegs waren. Auch die Straßen füllten sich immer mehr mit Autos, die nicht hupten, aber allein durch ihre Menge zu langen Staus und Verstopfungen führten. Ein Pasdaran-General befahl darauf seinen Untergebenen, die Ampeln auf Grün zu schalten, damit er persönlich jedes Auto in Brand stecken könne, das nicht weiterfahre sondern den Weg versperre. Aber das löste die Staus nicht auf. Schließlich begannen die Staatsorgane, Passanten anzugreifen und zu verhaften. Erst in solchen Momenten ertönte der Ruf „Tod dem Diktator“, und die Autofahrer drückten auf die Hupe.
Seit dem frühen Morgen, stehen Polizeieinheiten an jeder Kreuzung und jedem wichtigen Platz
An verschieden Universitäten in Teheran (Beheshti Universität, Sharif Universität, …) aber auch in anderen Städten (Schiras, Belutschistan, …) hatte die iranische Studentenbewegung Demonstrationen organisiert, die jeweils auf dem Campus stattfanden. Ab der Mittagszeit versammelten sich Studenten und Studentinnen und riefen Parolen wie „Marg bar Diktator“. Gegen vier Uhr Nachmittags versuchten die Demonstrationen ausserhalb des Campus fortzusetzen, mit dem Ziel sich unter die übrige Bevölkerung zu mischen. Starke Polizeikräfte rund um jede Universität hinderten sie jedoch daran, so dass sie ihre Demonstrationen auf dem Universitätsgelände fortsetzen mussten.
Beheshti Universität in Teheran am 12. Juni 2010
Universität Sharif, Teheran am 12. Juni 2010
Laut Regierungsangaben wurden am Samstag, den 12. Juni, allein in Teheran über 90 Personen verhaftet, von den Angehörigen vor den Gerichten und den Gefängnissen ist aber bekannt geworden, dass es mindestens 600 Verhaftungen gab, je nach Quelle ist sogar von 900 die Rede.
Mehdi Chas‘ali, der Sohn von Ajatollah Chas‘ali, eines Mitglieds des Wächterrats und Vertrauensmanns von Ajatollah Chamene‘i, kommentierte die Ereignisse mit den sarkastischen Worten: Als ich an diesem Tag unterwegs war, habe ich so viele bewaffnete Kräfte gesehen, wie in der ganzen Schahzeit nicht. Die Regierung erklärt die ganze Zeit, die Grüne Bewegung sei niedergeschlagen, es gebe nur noch 40, 50 Unruhestifter. Was ist das für eine Regierung, die 300.000 Mann braucht, um 40, 50 Unruhestifter in Schach zu halten? Und was will sie erst tun, wenn sie das Volk gegen sich hat?
Videoaufnahme vom 12. Juni 2010 in Teheran
Exiliraner in mehr als 80 Städten auf der ganzen Welt hielten Demonstrationen ab oder versammelten sich vor iranischen Botschaften und Konsulaten.
London
Paris
Stockholm
Washington
Zwei Tage nach dem Wahlbetrug im Juni 2009 und den unmittelbar darauf folgenden Massenprotesten griffen in der Nacht Hisbullahis und Sondereinheiten zahlreiche Studentenwohnheime in Teheran, Isfahan, Schiras, Maschhad, Kermanschah, Babol-Sar, Urumije und Tabris an. Sie gingen koordiniert mit Streumunition, Messern und Ketten auf die StudentInnen los. Allein in Teheran sollen fünf Studierende ermordet worden sein, viele Menschen wurden verletzt und verhaftetet. Im Gedenken an diese Ereignisse organisierten StudentInnen dieses Jahr am 14. Juni Proteste und Demonstrationen.
„Die Universität schreit nach Freiheit“, Teheran 14. Juni 2010
Video einer Demonstration vom 14.6. an der Universität Teheran, bei der ein bekanntes Lied gesungen wird (Yare dabestani)
Maßnahmen gegen die Gewalt
(von Bertold Brecht):
In die Wohnung des Herrn Egge, der gelernt hatte, nein zu sagen, kam eines Tages in der Zeit der Illegalität ein Agent, der zeigte einen Schein vor, welcher ausgestellt war im Namen derer, die die Stadt beherrschten, und auf dem stand, daß ihm gehören soll jede Wohnung, in die er seinen Fuß setzte, ebenso sollte ihm auch jedes Essen gehören, das er verlange; ebenso sollte ihm auch jeder Mann dienen, den er sähe.
Der Agent setzte sich in einen Stuhl, verlangte Essen, wusch sich, legte sich nieder und fragte mit dem Gesicht zur Wand vor dem Einschlafen: „Wirst du mir dienen?“
Herr Egge deckte ihn mit einer Decke zu, vertrieb die Fliegen, bewachte seinen Schlaf, und wie an diesem Tage gehorchte er ihm sieben Jahre lang. Aber was immer er für ihn tat, eines zu tun hütete er sich wohl: das war, ein Wort zu sagen.
Als nun die sieben Jahre herum waren und der Agent dick geworden war vom vielen Essen, Schlafen und Befehlen, starb der Agent.
Da wickelte ihn Herr Egge in die verdorbene Decke, schleifte ihn aus dem Haus, wusch das Lager, tünchte die Wände, atmete auf und antwortete: „Nein.“
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