Neues Gesetz sieht für Abfall vom Islam, "Ketzerei" und "Zauberei" die Todesstrafe vor
aktualisiert im Februar 2009
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) hat am 26. September 2008 an Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier appelliert, gegen ein neues Gesetz im Iran zu intervenieren, das den Abfall vom Islam, "Ketzerei" und "Zauberei" mit der Todesstrafe bedroht.Der Gesetzentwurf war in der ersten Lesung am 9. September 2008 im iranischen Parlament mit großer Mehrheit gebilligt worden. Rechtskräftig kann das Gesetz erst werden, wenn auch der islamische Wächterrat ihm zugestimmt hat. Die IGFM befürchtet, dass sich durch das Gesetz die Verfolgung von christlichen Konvertiten und islamischen Reformern noch weiter verschärfen wird.Nach der iranischen Verfassung können auch Delikte bestraft werden, deren Ahndung durch die vorhandene Gesetzgebung nicht abgedeckt ist (Art. 167 Verfassung). Dazu gehört zum Beispiel der Abfall vom Islam (Apostasie). In solchen Fällen gelten nach der iranischen Verfassung die sogenannten "authentischen islamischen Quellen" und die "gültigen religiösen Fatwas" (Rechtsgutachten) - Überlieferungen und Fatwas der im Iran gültigen dschaf’aritisch-schiitischen Rechtsschule. Nach Angaben der IGFM wird in allen islamischen Rechtsschulen die Abkehr eines Mannes vom Islam mit Hinrichtung geahndet. Gegen Muslime, die tatsächlich oder vermeintlich vom Islam abgefallen waren, ist von iranischen Behörden in einzelnen Fällen auch ganz offiziell Anklage erhoben worden. Nach Ansicht der IGFM ist das inoffizielle Vorgehen von staatlichen und halbstaatlichen Organen gegen Andersdenkende das bei weitem größere Problem. Systematische Folter, Hinrichtungen wegen konstruierter Vorwürfe (wie z.B. Prostitution), staatliche Morde und das "Verschwinden" von Konvertiten und Bürgerrechtlern diene dazu, die Macht der Mullahs zu sichern.Revolutionsgerichte sprechen "Recht"Die IGFM weist darauf hin, dass schon seit der Machtergreifung islamischer Geistlicher Ende März 1979 Andersdenkende und vom Islam abgefallene ehemalige Muslime verfolgt werden – auch ohne legale Grundlage. Das islamische Recht, inklusive des islamischen Strafrechts, ist im Iran bereits eingeführt worden, bevor am 15. November 1979 die Verfassung der Islamischen Republik Iran in Kraft trat. Unmittelbar nach der Machtergreifung wurde am 17. Juni 1979 das "Gesetz zur Gründung der Revolutionsgerichte" erlassen, die "nach islamischem Recht" (Art. 12) zu urteilen haben. Die bis heute bestehenden und berüchtigten Revolutionsgerichte ließen damals Tausende hinrichten, obwohl zwischen 1979 und 1982 ein Strafrecht angewandt wurde, das nicht einmal in Teilen kodifiziert war.Der Begriff "Abfall vom Islam" ("irtidad") wird in den Rechtstexten des Iran nur in Art. 26 des Pressegesetzes explizit genannt. Dort heißt es, dass jeder, der durch die Presse den Islam oder etwas, was dem Islam heilig ist, herabsetzt und damit einen Abfall vom Islam veranlasst, selbst wie ein Abgefallener ("murtad") bestraft wird. Die vorgesehene Bestrafung eines Abgefallenen war zumindest bisher per Gesetz noch nicht einmal erwähnt. De facto war und ist die Strafe für die Abkehr vom Islam im Iran aber jedem geläufig: Die Hinrichtung.Der offizielle Text des Gesetzentwurfs ist in Farsi im Internet auf einer staatlichen Seite zu Rechtsbelangen veröffentlich worden. Die IGFM dokumentiert im Folgenden Teile davon:

Gesetzesentwurf zum islamischen Vergeltungsrecht
Zweites Kapitel / Zweiter Teil(…)Fünfter Abschnitt: Apostasie, Ketzerei und Zauberei[Anmerkung der IGFM: "Ketzerei" ("bid’a") bedeutet Neuerung, ketzerische Lehre oder allgemein Ketzerei. Es handelt sich dabei um einen gängigen Fachbegriff, der ungewünschte oder schädliche Neuerungen bezeichnet.]
Paragraph 225.1Jeder Muslim der deutlich verkündet, dass er oder sie den Islam verlassen hat und sich zum Unglauben bekennt, ist ein Apostat.
[Anmerkung der IGFM: das verwendete Wort "kofr" bezeichnet beispielsweise Unglaube, Gottlosigkeit, Blasphemie oder auch Gotteslästerung. Es steht nicht primär für Atheismus, sondern für das nicht an den Islam glauben aber auch Blasphemie. "Unglaube" schließt hier den Übertritt zu einer anderen Religion ein, z.B. zum Christentum.]
Paragraph 225.2Die ernste und aufrichtige Intention ist die Voraussetzung für die Gewissheit, dass es sich um Apostasie handelt.Wenn der Beschuldigte behauptet, dass seine oder ihre Verkündung aus Unwissenheit oder gegen den eigenen Willen, irrtümlicherweise oder in Trunkenheit gefallen ist, oder die Worte einfach unbedacht aus seinem Mund herausgeschlüpft sind, ohne ihre Bedeutung zu kennen, oder die Worte nur anderen nachgesprochen wurden, oder seine oder ihre eigentliche Intention etwas anderes gewesen ist, dann wird er oder sie nicht als Apostat eingeschätzt und seine Ausführungen sollten gehört und danach gerichtet werden.Paragraph 225.3Es gibt zwei Arten von Apostaten: fetri und melli.Paragraph 225.4Ein fetri-Apostat ist jemand, bei dem zumindest ein Elternteil zum Zeitpunkt der Zeugung Moslem war, sich selbst zur Volljährigkeit als Muslim bezeichnet und den Islam später verlässt.Paragraph 225.5Ein melli-Apostat ist jemand, bei dem beide Elternteile zum Zeitpunkt seiner Zeugung Nicht-Muslime waren, der nach Erreichung seiner Volljährigkeit Muslim geworden ist, später den Islam verlässt und wieder zum Unglauben zurückkehrt.Paragraph 225.6Wenn jemand zum Zeitpunkt seiner Zeugung mindestens ein muslimisches Elternteil hatte, aber nach dem Erreichen der Volljährigkeit - ohne scheinbar Muslim zu sein - den Unglauben wählt, wird als melli-Apostat betrachtet.Paragraph 225.7Die Bestrafung für einen fetri-Apostaten ist der Tod.Paragraph 225.8Die Bestrafung für einen melli-Apostaten ist der Tod; aber nach der endgültigen Aburteilung wird versucht, ihn über 3 Tage lang auf den richtigen Weg zu führen, und er wird ermutigt, seinen Glauben zu widerrufen. Wenn er nicht widerruft, wird er getötet.Paragraph 225.9Falls dem melli-Apostaten die Möglichkeit zum Widerruf gegeben wird, wird ihm hierfür entsprechend Zeit eingeräumt.Paragraph 225.10Die Höchststrafe für abtrünnige Frauen, egal ob melli- oder fetri-Apostaten, ist lebenslängliche Haft. Während dieser Strafe werden ihr auf Anweisung des Gerichts erschwerte Lebensbedingungen bereitet und es wird versucht, sie zum rechten Weg zu geleiten, und sie wird zum Widerruf ermutigt werden. Wenn sie widerruft, wird sie sofort freigelassen.Zusatz: Die Konditionen dieser erschwerten Lebensumstände werden gemäß den religiösen Gesetzen festgelegt. [Anmerkung der IGFM: Das iranische Parlament hat bisher keine gesetzlichen Regelungen darüber erlassen, wie die Lebensumstände dieser Frauen "erschwert" werden sollen. Nach Ansicht der IGFM handelt es sich um einen Verweis auf eine Anordnung ["hokm"] des Gründers der Islamischen Republik Iran, Ajatollah Ruholla Khomeini. Khomeini hatte das höchste iranische Staatsamt inne, das des 'Geistlichen Führers' ["wali-ye faqih"]. Er galt dadurch als weltlicher Vertreter des "entrückten" 12. Imam, der nach Auffassung der im Iran geltenden dschaf’aritisch Rechtsschule im Verborgenen lebt und offiziell das Staatsoberhaupt Irans ist. Imam Khomeini war damit oberste Autorität in Fragen des islamischen Rechtes – inklusive des Strafrechtes. In seinem Werk "Tahrir al-wasile" befasste er sich im Kapitel 6 auch mit der Bestrafung von Apostaten.Dort heißt es unter anderem: "(…) wenn der Apostat eine Frau ist, ist ihre Strafe lebenslängliche Gefängnishaft]. An den fünf täglichen Gebetszeiten muss sie ausgepeitscht werden, und ihre Lebensqualität und die Menge des Essens, der Bekleidung und des Wassers muss herabgesetzt werden, bis sie Reue zeigt."]Paragraph 225.11Wer verkündet, dass er ein Prophet sei, wird zum Tode verurteilt, und jeder Muslim, der Neuerungen der Religion entwickelt und Sekten darauf gründet, die den Notwendigkeiten der Religion des Islam entgegen stehen, wird als Apostat beurteilt.[Anmerkung der IGFM: das hier mit Neuerung übersetzte Wort "bid’a" bedeutet Neuerung, ketzerische Lehre oder allgemein Ketzerei.]Paragraph 225.12Jeder Muslim, der mit Zauberei und geheimer Hexerei zu tun hat und diese in der Gesellschaft als Beruf oder Sekte propagiert, wird zum Tode verurteilt.Paragraph 225.13Wenn der Widerruf des Beschuldigten vor der Vollstreckung der Höchststrafe bezogen auf die beiden vorangehenden Paragraphen derart ist, dass das Gericht ihn akzeptiert, wird von der Höchststrafe abgesehen.Paragraph 225.14Für Mithelfer bei in diesem Kapitel aufgeführten Straftaten - für den Fall, dass dafür keine anderen Strafgesetze beschlossen wurden – sind, entsprechend der Schuld und dem Täter, bis zu 74 Peitschenhiebe anzuordnen.

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