22:39 | Posted in

Mir blutet das Herz
IranerInnen in Deutschland
Zehn Fragen an Jasmin Tabatabai zu ihrem Heimatland Iran, wie sie ihre Kindheit im Iran heute noch prägt und welche Hoffnungen sie für das Land hegt.


Jasmin Tabatabai hat ein Buch über ihre iranischen Wurzeln geschrieben.
Frau Tabatabai, haben Sie das Gefühl, exotisch zu sein?
Ich lebe nun schon so lange in Deutschland, dass ich hier nicht als Ausländerin betrachtet werde – außer vielleicht von ein paar Fernsehredakteuren (lacht). Ich nehme mich so, wie ich bin: ein Mischprodukt aus zwei Welten. Gott sei Dank gibt es mittlerweile in der Öffentlichkeit viele davon.
Sie sind im Iran aufgewachsen, haben in Deutschland Karriere als Musikerin und Schauspielerin gemacht. Haben Sie sich selbst nie gefragt, welcher Kultur Sie sich stärker verbunden fühlen?
Doch, schon. Vor meiner ersten Nacktszene im deutschen Film habe ich mich gefragt, ob ich das überhaupt bringen kann. Mir war klar, dass ich danach nicht mehr so bald in den Iran fahren konnte.
In ihrer gerade erschienenen Familienbiografie „Rosenjahre“ ist die islamische Revolution nur ein Nebenschauplatz. Sie haben die Geschichte Ihrer Eltern in den Mittelpunkt gestellt.
Ich wollte auf keinen Fall ein weiteres Flüchtlingsdrama schreiben wie so viele vor mir. Was wir heute über den Iran erfahren, ist meist sehr traurig. Da geht es um gesteinigte Frauen, Zwangsheirat, den Gottesstaat, um das, was Ahmadinedschad wieder gesagt hat. Ich hatte das Bedürfnis, den Fokus auf die Menschen im Iran zu lenken. Außerdem empfinde ich die Geschichte meiner Eltern als etwas Besonderes: Meine Mutter ist 1958 mit 20 Jahren in den Iran gegangen, meinen Vater hatte sie kurz zuvor auf dem Münchner Oktoberfest kennen gelernt. Ihre Geschichte zu erzählen aus dem Blickwinkel meiner Mutter gibt mir die die Möglichkeit, den Iran, vor allem seine Menschen und seine Kultur, aus Sicht einer jungen Deutschen zu beschreiben.
Sie beschreiben Ihre Mutter im Buch als einen sehr starken Menschen. Bewundern Sie sie?
Ja, vor allem dafür, dass sie sich nie verbogen hat – auch nicht in den Jahren im Iran. Meine Mutter ist meinem Vater in einer Zeit in den Iran gefolgt, aus der es nicht viele Erzählungen von Deutschen gibt, die das Land damals kennen gelernt hatten. Sie ist eine sehr mutige Frau, obwohl sie kein besonders selbstbewusstes Auftreten hat. Sie hat das Kunststück fertig gebracht, in ihren Gewohnheiten und in unserer Erziehung sehr deutsch zu bleiben und auf der anderen Seite die iranische Kultur sehr gut zu verstehen und zu verinnerlichen. Sie wusste, was die Leute zwischen den Zeilen sagen.
Ohne sich zu assimilieren.
Ja, im Gegenteil. Ich kenne deutsche Mütter, die bessere Iranerinnen sein wollen – Assimilation ist immer ein bisschen komisch. Als Deutsche kannst du nie wirklich eine Iranerin werden. Du kannst vieles annehmen und in einigen Punkten lässiger werden, aber es ist doch viel besser, sich treu zu bleiben, seine Wurzeln nicht zu vergessen und dabei trotzdem seinen Horizont zu erweitern.
Und umgekehrt, Ausländer in Deutschland? Was sagen Sie zu Sarrazins Thesen?
Ich finde die Diskussion, so wie sie zum Teil bis jetzt geführt wurde, sehr destruktiv, nahezu hysterisch. Ich begrüße es, dass man das Ganze jetzt mehr in eine konstruktivere Richtung lenken will, um eine erfolgreichere Integrationspolitik zu ermöglichen.
Ich hätte mir gewünscht, dass mein Vater öfter zu Hause gewesen wäre, doch wir Kinder erlebten unsere Zeit in Teheran als sehr unbeschwert. Ich spielte vor allem mit meinem 15 Monate älteren Bruder Amir und genoss die Freiheiten, die meine großen Schwestern zuvor in Grabenkämpfen mit meiner Mutter erstritten hatten. Natürlich kannten wir die kulturellen Unterschiede gegenüber den rein iranischen Familien sehr genau und wussten, was jetzt deutsch und was persisch ist. In unserer Familie wurde Weihnachten – und zwar mit allem Drum und Dran – gefeiert, aber auch das persische Neujahrsfest. Ich hatte nie ein Gefühl des Zerrissenseins.
Einer Ihrer Großonkel, ein Ayatollah, spielte bei der Demokratiebewegung Anfang des 20. Jahrhunderts eine führende Rolle. Bedeutet Ihnen das etwas?
Mir bedeutet es etwas, dass ich aus einer sehr modernen iranischen Familie komme, die seit Generationen humanistisch und säkular eingestellt ist. Meine Tanten haben sich schon vor 80 Jahren im Iran nicht verschleiert – auch meine Großmutter nicht. Mein Vater sagte immer: Es gibt viele Wege zu Gott, es ist nicht wichtig, welcher Religion man angehört. Diese Tradition lebe ich weiter.
Sie waren elf Jahre alt, als die islamische Revolution Ihre Heimat Iran radikal veränderte. Wie sehr beschäftigt Sie dieser Umsturz noch heute?
Zu erleben, wie das Land, das du kennst und in dem du aufgewachsen bist, innerhalb weniger Jahre durch die neuen Machthaber ins Mittelalter zurückversetzt wird, ist etwas ganz anderes, als allein die Fakten zu kennen und zu wissen, dass damals viele Leute das Land verlassen haben und der Iran zu einer islamischen Republik wurde. Jeder Exilant trägt eine Wunde davon, die sich nicht einfach so wieder verschließt.
Haben Sie die Hoffnung, dass sich in absehbarer Zeit etwas im Iran verändern wird?
Ich bin davon sogar überzeugt – aber eine Veränderung muss aus dem Volk heraus kommen. Sie waren die ersten, die die sich den radikalen Islamismus ins Haus geholt haben. Vielleicht werden die Iraner auch die ersten sein, die sich dessen wieder entledigen. Ich habe unglaublich viel Respekt vor den Menschen, die im Iran auf die Straße gegangen sind, das erfordert sehr viel Mut. Gleichzeitig blutet mir das Herz, wenn ich an die vielen jungen, kreativen und offenen Iraner denke, die müde sind, von alten, greisen Männern unterdrückt zu werden.

Comments

0 responses to "IranerInnen in Deutschland"